Darmstädter Hinterland
Nicht der Odenwald, nicht direkt vor der Haustür, aber zu Hessen-Darmstadt gehörend, das Hessische Hinterland. Ich weiß nicht mehr, wie ich auf die Idee zu der Tour kam. Vielleicht durch den Film "Der plötzliche Reichtum der armen Leute von Kombach", den ich vor vielen Jahren gesehen hatte und der eine wahre Begebenheit aus der Gegend erzählt.
Diese liegt von der damaligen hessischen Haupt- und Residenzstadt Darmstadt aus gesehen "ganz weit hinten" und kam so zu der Bezeichnung „Hinterland“.
Bei der Tour wollte ich mir die Landschaft des Gladenbacher Berglandes und alte Industriereste ansehen.
Von Lollar nach Biedenkopf
Heutzutage ist die Anreise recht einfach, mit dem Regionalexpress nach Frankfurt und der Regionalbahn nach Gießen oder Lollar oder Niederwalgern. Ich hatte ein zweites Frühstück im Dorfladen/Café in Ruttershausen geplant, der von der sozialtherapeutischen Gemeinschaft Friedelhausen betrieben wird und wo man Bio-Produkte kaufen kann. Wegen Ausfall der RB41 hatte ich eine halbe Stunde Verspätung beim Start in Lollar und der Dorfladen schließt mittwochs mittags schon um 12 Uhr.
Kurz danach verließ ich den Lahnradweg und folgte ab Salzböden dem Salzböde-Radweg im Tal der Salzböde bzw. der Trasse der ehemaligen Aar-Salzböde-Bahn. Die Salzböde ist ein recht kleines Gewässer von 27 km Länge. In Salzböden gibt es einen Dorfbrunnen aus dem 17. Jahrhundert, der auch heute noch kühles Trinkwasser spendet. In Open Street Map hatte ich einen Punkt "Subach" gefunden, von Mornshausen nur ein Abstecher von insgesamt 3,5 km und 50 Höhenmetern in ein Seitental der Salzböde. Dort befindet sich eine Infotafel zum "Postraub in der Subach", dem Grund für den plötzlichen Reichtum …
Von der Eisenindustrie, die ab dem 19. Jahrhundert den Menschen Erwerbsmöglichkeiten neben der kargen Landwirtschaft bot, ist nicht mehr viel zu sehen. Die Gegend macht einen "strukturschwachen" Eindruck, das ehemalige Bahnhofsgebäude in Gladenbach ist heruntergekommen, Bad Endbach auch nicht viel besser. Dort gibt es aber einen schönen schilfbestandenen Hochwasserschutzweiher bei einem der Eisenbahnviadukte.
Da ich kein Café fand, habe ich mir eine leckere Eisschokolade im Eiscafé an der Straße gegönnt.
In Hartenrod steigt die Route an der Salzbödequelle vorbei zum Salzbödesattel an und weiter bis fast auf die Höhe der Angelburg. Dort befindet sich das sehenswerte Naturschutzgebiet "Strickshute von Frechenhausen", in früheren Zeiten Weideland für die Rinder des Dorfes. Der Weg ist geschottert und zum Teil etwas verwaschen und unbequem zu fahren, belohnt wird die Mühe mit schönen Ausblicken nach Norden ins Siegerland. Da die Gegend eher dünn besiedelt ist, ist es ruhig dort, ein paar Wanderer und wenige Radler*innen und wenn, dann ohne Motor.
Dann bergab Richtung Biedenkopf wieder mehr asfaltierte Wirtschaftswege und Straßen mit wenig Verkehr. In Dautphetal-Friedensdorf wieder im Lahntal war die Lahnbrücke gesperrt und die Fahrradwegweisung unklar, so dass ich nach einigem suchen in die Regionalbahn nach Bad Laasphe gestiegen bin, die gerade angekommen war. Ich war zu dem Zeitpunkt auch schon 80 km geradelt und der Haltepunkt kurz nach dem Bahnhof Biedenkopf liegt praktischerweise genau vor der Jugendherberge, wo ich die Übernachtung reserviert hatte.
Der alte Ortskern von Biedenkopf ist nett hergerichtet, im Schloss befindet sich das Hinterlandmuseum.
Von Biedenkopf nach Dillenburg
Die nach dem gestrigen Abendspaziergang auf den Schlossberg angestellte Überlegung, das Hinterlandmuseum zu besuchen, habe ich zugunsten eines Abstechers auf die Sackpfeife, dem höchsten Berg im Landkreis Marburg-Biedenkopf und mit Aussichtsturm, wieder verworfen. Zum einen interessiert mich eine Sammlung von Hinterländer Trachten nicht sonderlich, zum anderen war das Wetter für einen Museumsbesuch zu schade.
Von der Lahn aus sind es 9 km und 420 hm bis zur Sackpfeife, im ersten Teil auf der gut asfaltierten Lahn-Eder-Straße und danach auf geschotterten Waldwegen mit Schiebepassagen. Leider ist der Turm wieder wegen Renovierungsarbeiten gesperrt. Bei guter Fernsicht muss die Aussicht übers Rheinische Schiefergebirge beeindruckend sein.
Bad Laasphe, der erste Ort in Nordrhein-Westfalen, sieht schon siegerländisch aus, macht aber den gleichen ärmlichen Eindruck wie das Hessische Hinterland insgesamt. Immerhin habe ich ein Café gefunden für eine Kaffee- und Kuchenpause.
Die weitere Route durchs Banfetal ist landschaftlich ebenfalls recht hübsch, ab der Landesgrenze bis Eschenburg teils auf der Landstraße. Ab dort bis Dillenburg auf bzw. neben der B253 ist nicht empfehlenswert, viel lauter Verkehr und Autofahrer die meinen, einen zum fahren auf dem Gehweg hinweisen zu müssen, wenn man auf der Fahrbahn radelt.
Dillenburg selbst würde vielleicht einen Besuch lohnen, ich bin dort aber in den Zug nachhause gestiegen. Pläne fürs Siegerland habe ich jedenfalls schon.